Ungleichheit in Deutschland: Häufig unterschätzt und ein Problem für die wirtschaftliche Stabilität

imkreport99Ein neuer IMK-Report beschäftigt sich mit der Einkommens- und Vermögensungleichheit in Deutschland. Dabei geht es u.a. um die verschiedenen Datenquellen zur Ungleichheit, um den sogenannten Unternehmensschleier, und – natürlich – um Thomas Piketty. Der Report kommt zu dem Schluss dass die Ungleichheit und deren Zunahme in Deutschland eher unterschätzt werden und er zeigt auf, warum Ungleichheit ein Problem für die wirtschaftliche Stabilität sein kann.

Zentrale Befunde des Reports lauten:

  • Freiwillige Haushaltsbefragungen (wie bspw. das SOEP – die Quelle, auf die sich in der Debatte um Ungleichheit in Deutschland meistens berufen wird) unterschätzen tendenziell die Ungleichheit der Einkommen und Vermögen am oberen Ende der Verteilung.
  • Diesen Nachteil gleicht die „Piketty-Methode“ teilweise aus: Daten der World Top Incomes Database (WTID) beruhen auf einer Kombination aus Steuerstatistiken und volkswirtschaftlicher Gesamtrechung (VGR). Diese erfassen – abgesehen von der Steuerflucht – auch die Reichen, die sich nicht an freiwilligen Umfragen beteiligen.
  • In Deutschland gibt es jedoch ein weiteres Problem bei der Erfassung der Daten: auch mit der Piketty-Methode wird der Anstieg der Ungleichheit seit der Jahrtausendwende unterschätzt, weil ein Teil der Spitzeneinkommen und -Vermögen durch den sogenannten „Unternehmensschleier“ verdeckt wird: durch in den Unternehmen einbehaltene Gewinne werden Vermögen aufgebaut, deren Letzteigentümer in der Statistik als ärmer geführt werden, als sie tatsächlich sind.
  • Der Report schlägt einige Kennziffern der Ungleichheit vor, die dieses Problem provisorisch umgehen können (sie erweitern die Top Income Shares der „Piketty-Methode“ um Informationen aus der VGR über die einbehaltenen Unternehmensgewinne und sie kombinieren Vermögensdaten aus SOEP und der gesamtwirtschaftlichen Vermögensbilanz und setzen diese ins Verhältnis zum Medianeinkommen). Diese verbesserten Kennziffern weisen ebenfalls auf einen deutlich größeren Anstieg der Ungleichheit in den letzten Jahren hin als die üblichen Maße.
  • Dauerhaft jedoch wären zwei politische Maßnahmen sinnvoll, allein um die Datenlage zu verbessern: Die Wiedereinführung einer synthetischen Einkommensteuer und einer Vermögenssteuer. Selbst wenn letztere bei 0% läge, könnte somit endlich erfasst werden, wie groß die Vermögensungleichheit in Deutschland tatsächlich ist.
  • Die Einkommens- und Vermögensungleichheit in Deutschland zu reduzieren könnte einen wichtigen Beitrag leisten, die hohen Exportüberschüsse zu senken und damit zur wirtschaftlichen Stabilität in Europa beizutragen.

Der Report erläutert außerdem in zwei informativen Infoboxen wichtige Zusammenhänge zur ökonomischen Ungleichheit, die in (der Debatte um) Thomas Pikettys Buch „Kapital im 21. Jahrhundert“ von zentraler Bedeutung sind und die einen theoretischen Hintergrund zu den oben genannten Befunden bilden:

  • Der Zusammenhang zwischen funktionaler und personeller Einkommensverteilung – also der Verteilung zwischen Kapital- und Erwerbsseinkommen auf der einen Seite, und zwischen den Haushalten auf der anderen Seite. Je nachdem in welchem Bereich Veränderungen der Verteilung dominieren können unterschiedliche Probleme für die wirtschaftliche Stabilität entstehen.
  • Der Zusammenhang zwischen Pikettys sogenannten „fundamentalen Gesetzen des Kapitalismus“: Hier geht es um die langfristigen Folgen des Wechselspiels zwischen Kapitalrendite und Wachstumsrate für die Vermögensungleichheit. Dabei gilt ein besonderes Augenmerk der Rolle der Sparquote, die in der Debatte bisher häufig unterschätzt wird (siehe dazu auch der Beitrag von Till van Treeck in diesem Blog).
Hier geht es direkt zum IMK-Report 99 →

Ein Interview mit Studien-Co-Autor Till van Treeck findet sich hier:

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