Megathema Ungleichheit – aber nicht in Deutschland

Nach der Londoner LSE folgt nun auch die Wirtschaftsuni Wien mit der Gründung eines Ungleichheitsinstituts. In Deutschland dagegen behaupten führende Ökonomen, das Thema Ungleichheit sei ein Hype.


Während das Thema Ungleichheit aus den internationalen ökonomischen Debatten kaum noch wegzudenken scheint, wird es von vielen Ökonomen in Deutschland noch vehement zurückgewiesen, obwohl auch hier die Ungleichheit der Einkommen stark zugenommen hat und die Vermögensungleichheit auf einem extremen Niveau liegt.

Megathema Ungleichheit
Heute wird an der Wiener Wirtschaftsuniversität feierlich ein Institut für “Economics of Inequality” eröffnet. Bereits vor ein paar Monaten hatte die Londoner LSE ein Ungleichheitsinstitut gegründet. Spätestens seit dem Welterfolg von Thomas Pikettys Ungleichheitsbuch Das Kapital im 21. Jahrhundert wird ökonomische Ungleichheit international auch in den Wirtschaftswissenschaften wieder zunehmend ernst genommen.

Die Ökonomen internationaler Institutionen haben das Thema ebenfalls ganz vorn auf die Tagesordnung gebracht: Im Mai und Juni veröffentlichten die OECD und der Internationale Währungsfonds (IWF) jeweils Studien zur Ungleichheit, in denen sie den Schaden der wachsenden Einkommensungleichheit für das Wirtschaftswachstum thematisieren.

Derweil in einem kleinen akademischen Dorf in Europa…
Angesichts dieser Entwicklungen ist es verstörend, die Berichte von der jüngsten Jahrestagung der größten deutschen Ökonomenvereinigung, des Vereins für Socialpolitik, zu lesen. In einem FAZ-Bericht von einer Podiumsdiskussion zwischen den Chefs großer deutscher Wirtschaftsforschungsinstitute heißt es zusammenfassend, die Ungleichheit sei ein “gehyptes Problem”.

Die Teilnehmer der Podiumsdiskusison scheinen sich in Bezug auf Deutschland einig: “Ein großes Problem ist die Ungleichheit von Einkommen und Vermögen nicht” wird Christoph Schmidt, Vorsitzender des Sachverständigenrates und Chef des Rheinisch-Westfälischen Instituts (RWI), zitiert.

Hans-Werner Sinn lobt die Politik der Agenda 2010, weil sie gezielt die Ungleichheit gefördert hätte und der “Wirtschaftsweise” Lars Feld vom Freiburger Walter Eucken Institut pflichtet mit dem wohlbekannten Slogan der FDP bei, sozial sei, was Arbeit schaffe.

Es mag ja auf den ersten Blick sympathisch erscheinen, wenn man sich Modethemen wie ein Gallier bei Asterix und Obelix widersetzt und sich treu bleibt. Hier jedoch drängt sich die Frage auf, ob dem Thema Ungleichheit wirklich eine Offenheit für sachliche Argumente entgegengebracht wird, oder ob es nicht vielmehr darum geht, eine bestimmte ideologische, mit konkreten Interessen verbundene Position nicht räumen zu müssen: ein Wirtschaftsliberalismus, der seit Jahrzehnten “Trickle-Down” propagiert, aber nichts anderes tut, als die Zunahme der Ungleichheit politisch zu legitimieren und durch wirtschaftspolitische Beratung zu befördern.

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