Sonderseite: Thomas Piketty – Das Kapital im 21. Jahrhundert

Cover PikettyAm 7.10.2014 ist das Buch „Kapital im 21. Jahrhundert“ von Thomas Piketty auf Deutsch erschienen. Aus diesem Anlass veröffentlichte Verteilungsfrage.org eine Serie mit dem Titel „Weekly Piketty“, in der jede Woche Textstellen aus dem Buch diskutiert wurden. Außerdem wurde umfassend über die Piketty-Debatte berichtet (siehe unten). Auf dieser Sonderseite findet sich eine erste Orientierung mit allgemeinen Informationen zum Buch und Autor.

  1. Das Phänomen Piketty
  2. Worum geht es in dem Buch?
  3. Pikettys “fundamentale Gesetze des Kapitalismus” und historische Tendenzen
  4. Der Autor Thomas Piketty
  5. Linksammlung
  6. Beiträge auf Verteilungsfrage.org

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Das Phänomen Piketty

  • Pikettys Wälzer (rund 700-1000 Seiten, je nach Sprache und Ausgabe), 2013 im französischen Original publiziert, entwickelte sich nach Erscheinen auf Englisch im Frühjahr 2014 zum internationalen Bestseller mit mehreren hundert Tausend verkauften Exemplaren
  • In den Blogs und Feuilletons entspann sich eine langanhaltende Debatte über das Buch und über Ungleichheit insgesamt (siehe Linksammlung unten). Auf Twitter läuft ein unaufhörlicher Strom an Kommentaren zu dem Buch

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Worum geht es in dem Buch?

  • Thomas Piketty bringt eine große Menge Daten aus rund 20 Jahren empirischer Ungleichheits-Forschung zusammen mit einem formalen Rahmen zur Analyse von Ungleichheitsentwicklungen (zudem spickt er den Text mit Verweisen nicht nur auf ökonomische Theoriegeschichte, sondern auch auf Literaturklassiker und Hollywoodfilme)
  • Ein zentraler Baustein der Daten – historische Zeitreihen zur Entwicklung der Anteile der Spitzeneinkommen am gesamten Einkommen – finden sich in der sogenannten World Top Incomes Database
  • Drei zentrale empirische Befunde Pikettys verweisen auf einen Anstieg der Ungleichheit: ein zunehmender Anteil der Spitzeneinkommen am gesamten Einkommen, insbesondere in den USA; ein zunehmender Anteil hoher Vermögen an den gesamten Vermögen; sowie ein schnelleres Wachstum der Vermögen als der Einkommen insgesamt, insbesondere in Europa
  • Piketty formuliert zwei „fundamentale Gesetze des Kapitalismus“, die an sich recht unstrittig sein sollten, da sie nur eine mathematische Definition und ein mathematisches Prinzip beschreiben (siehe Box unten)
  • Ferner argumentiert Piketty, dass es historisch eine Tendenz gibt, dass die Kapitalrendite größer ist als die Wachstumsrate: Bei ungleich verteilten Vermögen führt dies – gesetzt die Sparquote der Vermögenden ist ausreichend hoch – zu einem automatischen Auseinanderdriften in der Vermögensverteilung. Es wird immer schwieriger ohne Vermögen und nur mit Arbeit diejenigen einzuholen, die bereits Vermögen besitzen deren Einkommen insgesamt schneller wachsen
  • Piketty wird jedoch – anders als mancher Kritiker suggeriert – nicht müde zu betonen, dass diese eher mechanische Entwicklung kein Automatismus ist, sondern dass diese Ungleichheitsdynamik durch Politik durchbrochen werden kann – etwa durch Vermögensbesteuerung – und er zeigt, dass dies historisch bereits gelungen ist
  • Pikettys Analyse der historischen Entwicklung von Wachstumsraten des Nationaleinkommens – sowohl technologisch, als auch demographisch bedingt – verdeutlicht, warum es unwahrscheinlich erscheint, dass die Wachstumsrate in Zukunft ähnlich hoch oder gar höher liegen könnte als die Kapitalrendite
  • Im letzten Teil des Buchs formuliert Piketty politische Lösungsvorschläge wie eine globale Vermögenssteuer, eine stärker progressive Einkommensbesteuerung mit wesentlich höheren Spitzensteuersätzen und Maßnahmen zur Eindämmung von Steueroasen

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Pikettys „fundamentale Gesetze des Kapitalismus“ und historische Tendenzen

 

  • Das „erste fundamentale Gesetz“ definiert mit einer mathematischen Gleichung den Anteil der Kapitaleinkommen am Nationaleinkommen als das Produkt aus Kapitalrendite r und dem gesamten Bestand an Nettovermögen eines Landes, ausgedrückt wiederum in Prozent des Nationaleinkommens (genannt „beta“)
  • Das „zweite fundamentale Gesetz“ formuliert ein mathematisches Prinzip, nach dem langfristig beta (also das Nettovermögen ausgedrückt in Prozent oder Jahren des Nationaleinkommens) zum Verhältnis zwischen gesamtwirtschaftlicher Sparquote und der Wachstumsrate konvergiert
  • An Brisanz gewinnen diese beiden „Gesetze“ erst mit der historischen Tendenz „r>g“, die Piketty ausmacht: die Kapitalrendite r sei in der Regel größer als die Wachstumsrate g – und gerade für die Zukunft sei zu erwarten, dass dieses Verhältnis sich nicht grundlegend ändere
  • Zudem spielt die Sparquote eine entscheidende Rolle: Vermögende sparen tendenziell einen größeren Anteil ihres Einkommens
  • Typischerweise sind schließlich die Kapitalrenditen bei großen Vermögen überdurchschnittlich hoch
  • Im Zusammenspiel der beiden Gesetze und der genannten empirischen Tendenzen ist somit eine dramatische Zunahme der die Ungleichheit zwischen Vermögenden und denjenigen, die lediglich durch Arbeit Einkommen erzielen können, zu befürchten – sofern diese Triebkräfte nicht unterbrochen werden

Vgl. Behringer et al. 2014, IMK Report 99, Infobox 2

 

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Der Autor: Thomas Piketty

Der französische Ökonom Thomas Piketty, Jahrgang 1971, lehrt an der Paris School of Economics. Er ist Mit-Herausgeber der World Top Incomes Database, einer Zusammenstellung der Spitzeneinkommen und deren Anteil am Gesamteinkommen in einer Vielzahl von Ländern und über lange Zeitverläufe, zum Teil seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Eine Liste seiner wissenschaftlichen Publikationen findet sich hier.

In einem dreiminütigen Zusammenschnitt seines US-amerikanischen Verlags Harvard University Press benennt Piketty zentrale Punkte seines Buchs (auf Englisch):

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Ein lesenswertes Portrait schrieb Nils Minkmar im Mai 2014 im FAZ-Feuilleton.

 

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Linksammlung

  • Ein sehr lesenswerter Text zum Einstieg ist der Gast-Beitrag von Till van Treeck bei Capital
  • Das Buch (und kostenlose E-Book) “Thomas Piketty und die Verteilungsfrage” (Hg. Bofinger/Horn/Schmid/van Treeck) gibt einen vertiefenden Einblick in verschiedene Debatten um Pikettys Buch insbesondere mit Blick auf Deutschland
  • Ein Historiker-Symposium würdigt Piketty relativ spät, aber dafür mit umso mehr Bedacht. Hebt sich wohltuend innerhalb der deutschen Piketty-Rezeption ab
  • Das Theorieblog – Forum für politische Theorie und Philosophie – hat ein interessantes Piketty-Buchforum ins Leben gerufen
  • Der internationale Zeitungszusammenschluss für Meinungsbeiträge Project Syndicate hat eine Piketty-Spezialseite mit vielen lesenwerten Beiträgen zu Piketty, häufig auch in deutscher Übersetzung verfügbar
  • US-Ökonom Brad de Long hat eine lesenswerte Liste mit interessanten Piketty-Rezensionen zusammengestellt, mit jeweiligen Auszügen
  • Harvard University Press selbst versorgt die Piketty-Intessenten mit einer langen Liste an Zitaten aus Rezensionen und Beiträgen zu Piketty im englischsprachigen Netz
  • Der einflussreiche Thinktank Bruegel aus Brüssel hat sich viel Arbeit mit einer Zusammenfassung wesentlicher Beiträge in der Piketty-Debatte gemacht
  • Das Blog Political Theory – Habermas and Rawls wartet auch mit einer langen Auflistung wichtiger englischsprachiger Beiträge zur Piketty-Debatte auf
  • Der Guardian bringt – eingerahmt von passenden Illustrationen – eine Reihe von Ökonomen zusammen, die das “Phänomen Piketty” zu erklären suchen.

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Bisher erschienene Beiträge auf
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